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IFA Berlin 2023 - Unterhaltungselektronik

Verantwortlicher Autor: Gerhard Bachleitner München, 14.09.2023, 21:41 Uhr
Presse-Ressort von: Dr. Gerhard Bachleitner Bericht 6279x gelesen
Kombinierte Laserprojektion bei Hisense.
Kombinierte Laserprojektion bei Hisense.  Bild: G. Bachleitner

München [ENA] Die Internationale Funkausstellung, IFA, nunmehr unter neuer Leitung, stützte sich auf die beiden traditionellen Säulen der Weißen und Braunen Ware, wobei die Unterhaltungselektronik - Audio ist weitgehend marginalisiert - innovationsschwächer erschien.

Der Fortschritt bei den Fernsehern bot keine Überraschungen, überall ein bißchen mehr: mehr Diagonale, mehr Leuchtkraft, mehr Buchstaben im Pixelnamen. Samsung mußte die LEDs seinerzeit zu QLEDs weiterentwickeln, jetzt hat man Neo QLEDs, bei LG gibt es QNEDs, HiSense hat ULEDs, außerdem gibt es selbstverständlich die Micro-LEDs. Diese interessanteste neue Bildschirmtechnik in den Massenmarkt zu bringen, haben die Hersteller indes keine Eile. Es sind weiterhin nicht mehr als großkalibrige Schaustücke mit meist nur geraunten fünfstelligen Preisen oder ohne Lieferankündigung. Bei Samsung war das Standpersonal gänzlich auskunftsunfähig, bei Vestel fanden wir ein 65"-Modell als Mini-LED-TV deklariert.

Hisense schaffte es, zwei Laserprojektoren so zusammenzubringen, daß ein extrem breites 200"-Bild herauskam. Auch bei den Laserprojektoren geht es um mehr, nämlich drei statt einem Laser, was für mehr Leuchtkraft und Kontrast sorgen soll. Die Projektionsdistanz ist zwar vorbildlich kurz geworden, aber für eine glatte und möglichst reflexionsstarke Wand muß man trotzdem noch sorgen, und eine entsprechende Leinwand wäre nicht billig. Selbstverständlich wird 8k weiterhin propagiert und mit KI skaliert, obwohl noch nicht einmal 4k in die Fernsehübertragungsinfrastruktur Einzug gehalten hat.

Betriebssysteme

Ebenfalls vermehrt haben sich die Betriebssysteme, die für die Verbindung mit dem Internet, also den Smart-TV-Funktionen, und dem Rest des Hauses nötig sind. Bisher dachte man vielleicht, mit der Einführung des neuen Universalstandards "Matter" sei diese Vermehrung zu Ende, doch weit gefehlt. Dieser Meta-Standard hindert Hersteller keineswegs, die eigenen Systeme weiter zu propagieren und zu entwickeln. So machte sich etwa HiSense für das eigene "Vidaa" stark und bewarb es mit dem Argument bester Effizienz - natürlich nur zu seinesgleichen.

Damit kommt die Standardisierung offensichtlich keinen Schritt weiter, denn dann gibt es weiterhin die diskriminierende Zweiklassen-Gesellschaft, die durchschnittliche allgemeine Norm und die optimale Norm für die eigene Gefolgschaft, man könnte auch sagen: das Schlechte für die Allgemeinheit, das Gute für die, die sich's richten können (und binden lassen). In umgekehrter Richtung betrachtet: Matter wird nur deshalb als Metanorm akzeptiert worden sein, weil sich jeder Hersteller vorbehalten durfte, weiterhin unabhängig davon sein eigenes Ding zu machen.

Energieverbrauch

Weil der Bildgrößenzuwachs auch ein Energieverbrauchsproblem darstellt, seit die EU strenge Grenzwerte eingeführt hat, ist die Branche, die deshalb natürlich nicht ihre weltmarktorientierten Produkte ändern kann, zu einer "pragmatischen" Lösung gekommen. Die Geräte werden im Auslieferungszustand so energiesparend wie möglich konfiguriert, was ein in der Regel trübes Bild zur Folge hat.

Wie man es anschaubar macht, findet der Kunde dann schon selbst heraus. Diese Praxis ähnelt nicht nur der grünen Ignoranz bei der Weißen Ware, sondern auch dem sog. Diesel-Skandal bei VW, der die Autos eben gerade so "grün" erscheinen ließ, als es die augenscheinlich überzogenen gesetzlichen Forderungen haben wollten. Wer sich die Welt grün zurechtlügen will, erhält natürlich auch grüne Lügen angeboten.

Erosion von Organisation und Kommunikation

Die Messeorganisation war heuer der englischen Firma Clarion übertragen, eine fragwürdige Entscheidung, über deren Hintergründe hier nicht zu spekulieren ist. Dieser Firma aufgrund ihrer Unbekanntheit mit der IFA Entschuldigungsgründe oder Nachsicht zuzubilligen, geht jedoch an der Sache vorbei, denn man hätte ja das bewährte einheimische und ortsansässige Team nicht auszuwechseln brauchen.

Die offizielle Erfolgsmeldung einer ausgebuchten Messe verdient einen genaueren Blick. Sie stimmt schon formal nicht ganz, denn in der IFA-Next-Halle 27, neudeutsch zum "Hub" mystifiziert, sahen wir viel freien Platz, und hinter dem Stand von Hisense war die zweite Hallenhälfte durch eine Bretterwand abgetrennt. Wichtiger sind aber die fehlenden oder geschrumpften Ausstellerstände.

Huawei fehlte, Sony machte zwar eine kleine Ein-Produkt-Pressekonferenz, hatte aber keinen eigenen Stand mehr, Panasonic, ohne Pressekonferenz, hatte sich in eine unbetretbare Nische am Rande des besagten "Hubs" zurückgezogen, von Philips oder TP-Vision war auch nichts zu sehen (wurde jedenfalls von der Suchfunktion nicht ermittelt), obwohl die TP-Vision-LKWs der letzteren in den Hallenhöfen parkten, Telekom und ARD gab es ebenfalls nicht mehr, Geschichte sind für die IFA auch das Pressekolloquium Rundfunktechnik, die Deutsche TV-Plattform und Fraunhofer. Daß auch die Konzerte im Sommergarten fehlten, mag den Fachbesucher nicht betrübt haben, doch für das Publikumsinteresse an der IFA kann das durchaus eine (negative) Rolle gespielt haben.

Die Web-Seite ließ ebenfalls zu wünschen übrig. Das Marketing als Euphemismenschleuder und Informationsverweigerung drang überall hin vor. Was etwa soll man von dem Eintrag halten "Neue IFA Kundenerfolg Kontaktnummer"? Die angebotene Suche zeigte ein so merkwürdiges Gebaren, daß auf deren Ergebnissen basierende Aussagen nur hochspekulativ genannt werden können. Daß ein vergleichsweise großer Aussteller wie LG nicht gefunden wurde, wie das Beweisfoto zeigt, macht eine solche Suchfunktion nutzlos, um das Mindeste zu sagen.

Bezeichnenderweise hatte sich das Personal der Informationstheke im Pressezentrum dann eine eigene Liste der wichtigsten Aussteller zusammengestellt - und ausgedruckt (!) -, um auskunftsfähig zu sein. Dgl. gab es früher auch mal als kleine Broschüre für die Journalisten zum Einstecken, was sehr praktisch war. Heutzutage wird man freilich bei jedem IFA-Webseitenbesuch mit dem lächerlichen Angebot "Can we help with anything else?" belästigt, das man nur mit der Aufforderung: 'macht erst mal eure Hausaufgaben und baut eine funktionale Informationsinfrastruktur' beantworten kann.

Die scheinbare Gleichrangigkeit von Deutsch und Englisch erwies sich als Illusion. Der Klick von EN zu DE lieferte keineswegs die Übersetzung der gerade vorliegenden Textseite, sondern führte ganz woanders hin, und rasch wurde klar, daß substanzielle Information nur auf Englisch geboten, im Deutschen aber nur allgemeines Gerede geliefert wurde. In der Abschlußpressemeldung vom 5.9. war die Rede von einer "German Press Release", doch war eine solche nirgends auffindbar.

Eine exemplarische Fehlleistung gelang auch mit der großen Pressekonferenz von Samsung, die im IFA-Terminplan keine weitere Registrierungsaufforderung enthielt. Die Erwartung ungehinderten Zutritts erwies sich jedoch rasch als Illusion, denn Samsung verlangte einen im Vorfeld offenbar auf ungeklärte Weise zu beschaffen gewesenen QR-Code. Die Fehlleistung der Messeorganisation wurde dann aber von Samsung bruchlos weiter und zur Vollendung geführt. Zunächst war man bereit, die Interessenten nachzuregistrieren.

Es zeigte sich nämlich - just in diesem Moment -, daß die Maximalzahl der erlaubten Besucher doch höher als bisher vermutet war. Doch wiederum eine Minute später wurde - selbstverständlich ohne Begründung - die Losung durchgegeben, daß trotzdem keine weiteren Leute zugelassen werden sollten. Hier reichten sich offenbar asiatische und englische Organisationsunfähigkeit die Hand und offenbarten ein bemerkenswertes Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit.

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